Einander helfen!: Wie Start-up-Unternehmen an „Venture Capital/Wagniskapital“ kommen Von Florian Grimm

Königsteiner Management Dialog Vögele Inst 049

Das Sigfried Vögele Institut veranstaltete am 7.12.2015 den „1. Königsteiner Management Dialog“ zum Thema „Globale Digitalisierung“. Der Amerikaner Scott Sage, der Brite Paul Staples und der Israeli Roy Oron beschrieben, wie mit ausreichend Risikokapital versorgte Unternehmen die digitale Revolution vorantreiben. Die imposante Villa des Instituts in Königstein im Taunus verlieh dem Abend einen eleganten Rahmen.

Viel zu wenig „Wagniskapital“ in der EU!

Der rasante Digitale Wandel stellt Unternehmen auch auf dem europäischen Kontinent vor enorme Herausforderungen. Ein alternder Mitarbeiterstab muss mit immer schneller werdenden technischen Veränderungen fertig werden. Die Industrie soll sich außerdem so schnell wie möglich auf die (zunehmend kritischen) globalen ökologischen Probleme einstellen. Und einstige Weltmarktführer und Technikpioniere wie Kodak oder Nokia sind heute prominente Opfer des „Digitalen Wandels“.

Der Sprecher der Geschäftsführung des Siegfried-Vögele-Instituts, Peter Pittgens, stellte nach dieser kurzen Beschreibung der aktuellen Lage die Referenten des „Königsteiner Management Dialoges“ vor: Scott Sage und  Paul Staples aus London sowie Roy Oron aus Tel Aviv. Sie vermittelten einen Eindruck davon, wie in der angelsächsischen Welt und in Israel die globale Digitalisierung vorangetrieben wird, und zwar mit Hilfe von ausreichend Kapital und getrieben von Unternehmergeist.

Der Texaner Scott Sage studierte zunächst  an der Eliteuniversität Cambridge, bevor er für die Großbank UBS in London tätig wurde. Mittlerweile bringt er bei „Seedcamp“ Startup-Unternehmen mit Kapitalgebern zusammen zusammen. Sage begleitet und berät junge Unternehmer, die Geld benötigen, um ihre Ideen umzusetzen. Er sorgt dafür, dass ihnen gerade in der frühen Phase der Gründung ausreichend Kapital zur Verfügung steht. Dabei geht es um Beträge zwischen 500.000 und zwei Millionen Euro.

London, Shanghai, das Silicon Valley und Tel Aviv zählen laut Sage beim Digitalen Wandel, bei Startups und Risikokapital unumstritten zu den dynamischsten Städten und Regionen der Welt. Und Sage kann auch leicht erklären, warum Europa weniger dynamisch ist als beispielsweise die USA, was die „globale Digitalisierung“ angeht. Einer der Gründe ist denkbar simpel: „In der gesamten Europäischen Union fließen nur ein Fünftel des in den USA investierten Wagniskapitals in die Förderung von Start-Up-Unternehmen“, stellt Scott Sage fest. Natürlich gebe es aber auch in Deutschland einige Beispiele für Investitionen in digitale Innovationen. Er nennt die Berliner Beteiligungsgesellschaft „Rocket Internet“ der (umstrittenen) Samwer-Brüder, die unter anderem in den Online-Handel Zalando investierten.

Transport eines Speers von Höhle zu Höhle

Der zweite Referent des Abends Paul Staples beschrieb zunächst seine Frustration während seiner Zeit als Londoner Banker. Klassische Banken seien innovativen Startup-Unternehmen gegenüber extrem konservativ und misstrauisch. Sie verlangten vollen Zugriff auf das intellektuelle Kapital ihrer Gläubiger. Grundsätzlich seien außerdem alle Kapitalgeber „unglaublich launisch“. „Risikokapital zu bekommen, ist keine einfache Sache“, stellt er lakonisch fest.

Seine Enttäuschung über die Arbeit in der Finanzbranche brachte Staples dazu, seinen Job als Banker an den Nagel zu hängen und in der Logistikbranche tätig zu werden. Staples fasst seine Faszination für die (nicht gerade als „sexy“ geltende) Logistikbranche in ein Bild zusammen:   „Irgendwann in der Steinzeit hat der Hersteller seinen gerade angefertigten, neuartigen Speer von seiner Höhle in eine andere getragen, um ihn anderen zu zeigen. Das war der Beginn des Frachtverkehrs.“ 1999 begann Staples damit, Supertanker und Ölhändler zusammenzubringen. Heute arbeitet er für „Voyage Controle“, ein Logistik-Software-Unternehmen, das seinen Kunden hilft, die Wartezeiten und Kosten beim Transport von Gütern zu minimieren.

Und warum ist Großbritannien so dynamisch, was (digitale) Innovationen und Start-ups angeht? Innovation sei im Vereinigten Königreich Teil der Kultur, antwortet Staples. Die Insellage spielt natürlich eine wichtige Rolle. Britische Unternehmen haben die Wahl zwischen dem amerikanischem Markt im Westen und dem Handel mit dem „Kontinent“, also Europa, im Osten. Auch das Steuersystem begünstige Start-ups, betont Staples. Nicht zuletzt vereint die „Tech City“ von London – als britisches Silicon Valley –  innovative Unternehmen in einem „Innovations-Cluster“.

Dem „Crowdfunding“ als Instrument zur Kapitalbeschaffung gegenüber ist Staples dagegen eher skeptisch eingestellt. Dabei bekomme man keine intellektuelle und praktische Unterstützung, warnt er. „Crowdfunding  wird in Großbritannien vor allem von Brauereien genutzt“, stellt er fest. Staples empfiehlt,  dagegen das erste Kapital für Start-ups von „Freunden und Verwandten“ zu beschaffen, die eher bereit seien, sich persönlich zu engagieren.

Toleranz und Pioniergeist

Roy Oron aus Tel Aviv war zehn Jahre für das israelische Militär tätig. Dies meint man dem sportlichen-drahtigen Mann mit dem kurzen Haaren durchaus anzusehen. Heute arbeitet Oron für „Sosa“. „Sosa“ steht für „South of Salame“. In den vier Stockwerken eines historischen Industrigebäudes in Tel Aviv treffen sich innovative Unternehmer aus unterschiedlichsten Bereichen. Sosa stellt Räume zur Verfügung und fördert den Austausch zwischen den Mitarbeitern von Start-ups.  So werden Kreativität und Kommunikation gefördert. Sosa bezeichnet sich selbst als „Gemeinschaft von Erfindern, die für ein Ökosystem  von Startup-Unternehmen gegründet wurde“. Die ständige Beschleunigung von Innovationszyklen, schnelles Marktwachstum und effiziente Kommunikation mit allen Beteiligten sind laut Oron die wichtigsten Faktoren von Startups. Hier wirke Sosa wie die moderne Version einer Dorfkreuzung, auf der man sich trifft, austauscht und zusammenarbeitet.

Auf die Frage des Moderators Markus Küll, was er vor fünf Jahren gemacht habe, was er heute mache und was er in fünf Jahren machen werde, antwortete Oron:  „Ich war ein Innovator, ich bin ein  Innovator und ich werde immer ein Innovator bleiben!“ Die Gründe, warum israelische Unternehmen auf internationale Expansion setzen, sind nach seiner Darstellung relativ offensichtlich:  „In Israel gibt es keinen Markt, stellt Oron nüchtern fest: „Von den acht Millionen Einwohnern tragen nur fünf Millionen zum Bruttosozialprodukt bei. Auch natürliche Ressourcen gibt es nicht.“ Die Gründe, warum Israel zu den Motoren der globalen Digitalisierung gehört, kann Oron klar benennen. Das israelische Militär verfügt über eine riesige Technikeinheit, die auch die zivile Wirtschaft antreibt. Natürlich spielt hier das – vorsichtig ausgedrückt „angespannte“ – Verhältnis Israels zu seinen Nachbarn eine Rolle.  Die Regierung unterstützt zudem Innovationen. Aus Russland strömen „sehr smarte“ Immigranten ins Land, die die Innovationsdynamik weiter befeuern, berichtet Oron. Und insgesamt prägen Toleranz, Pioniergeist und Solidarität die israelische Gesellschaft und Wirtschaft. Diese Toleranz umfasst laut Oron auch die Möglichkeit des unternehmerischen Misserfolgs, den 90 Prozent aller Startup-Unternehmen würden scheitern.

Und was empfiehlt Oron deutschen Startup-Unternehmern und Venture-Capital-Gebern?, will Moderator Küll wissen. „Einander helfen!“, lautet seine knappe Empfehlung. Selbst wenn man nicht bereit ist, in ein Produkt zu investieren, sei es in seinem Heimatland Israel ganz normal, einander gegenseitig tatkräftig zu unterstützen. Hier hat die Pioniernation Israel viel mit den USA gemeinsam.

Bei den Löwen

Und dann nimmt die Veranstaltung eine rasante Wende in die Praxis. Die Startup-Unternehmer von „Sensape“  Justus Nagel und Matthias Freysoldt aus Leizpzig stellen ihr Produkt vor. Die Geschichte des Unternehmens Sensape steht in enger Verbindung mit der Leipziger HHL, also der Handelshochschule Leipzig, seit 2012 „Leipzig Graduate School of Management“. Freysoldt und Nagel präsentieren ihre Innovation– ganz im Stile von „Die Höhle der Löwen“, der Risikokapitalgeber-Show auf VOX:  Eine Stele, die mit einer Kamera Passanten aufnimmt und die Bilder auf einem Display zeigt, so dass der Eindruck eines interaktiven Spiegels erscheint. Mittels einer Software wird das Alter der Personen geschätzt und das Geschlecht ermittelt. Auch die Gefühle und Gesten kann die raffinierte Software interpretieren. Die innovative und interaktive Außenwerbung könne beispielsweise in Schaufenstern oder auf Messen eingesetzt werden, erläutern die Erfinder.  Und sofort entwickelt sich zwischen Referenten, Unternehmern und Teilnehmern der Veranstaltung eine  lebhafte Diskussion über die Chancen des innovativen Produkts.

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