Ein „Selfie“ mit dem virtuellen Promoter

 Freysoldt Nagel

Matthias Freysoldt, Justus Nagel mit der Sensape-Stele.

Von Florian Grimm

 

Das Startup Sensape hat eine interaktive Stele entwickelt, die auf Messen Besucher an den Stand zieht. Ein optischer Sensor erfasst die Menschen, die vor der Stele stehen, und zeigt diese auf einem Bildschirm. So entsteht der Eindruck eines virtuellen Spiegels. Eine intelligente Software erkennt das Geschlecht sowie die emotionale Stimmung der Besucher und schätzt ihr Alter.

 

Ein Blick ins Schaufenster bringt die Idee

 

Während er durch die Münchner Innenstadt lief und sein Blick in ein Schaufenster fiel, hatte Artur Lohrer die Idee: Durch intelligente Technik könnte man Schaufensterwerbung interaktiver gestalten! Wie wäre es, wenn George Clooney nicht nur in einem schicken Anzug auf einem Plakat gezeigt würde, sondern einem zuzwinkert, sobald man ihm in die Augen schaut?! Wenn Cindy Crawford einem aus dem Bildschirm zuwinkt, wenn man vorbeigeht und ihre Kleidung von allen Seiten zeigt?! So entstand der Plan, digitale Lösungen zur interaktiven, zielgerichteten Kundenansprache und Verkaufsförderung zu entwickeln.

 

Lohrer studierte Robotik und künstliche Intelligenz an der Technischen Universität München. Zuvor absolvierte er ein Bachelorstudium in Physik an der Goethe-Universität in Frankfurt. Er arbeitete zwischenzeitlich für BMW, wo er sich mit dem Thema „autonomes Fahren“ befasste. Auch sein späterer Mitgründer Matthias Freysoldt absolvierte ein Studium der Robotik an der TU München, wo er mit Lohrer an verschiedenen Projekten zusammenarbeitete. Freysoldt erwarb zuvor an der Fachhochschule Ingolstadt einen Abschluss in Wirtschaftsingenieurwesen. Anschließend sammelte er Berufserfahrung bei Audi. Lohrer und Freysoldt kümmern sich in ihrem in Leipzig angesiedelten Startup Sensape um die technische Entwicklung. Zu den beiden jungen IT-Experten stieß der Betriebswirt Justus Nagel. Er ist verantwortlich für die Bereiche Marketing, Vertrieb und Finanzen. Nagel schloss zunächst sein Duales Bachelorstudium in Kooperation mit Lufthansa Cargo ab und baute dann den Vertrieb eines anderen jungen Startups auf. Er erwarb außerdem an der HHL Leipzig Graduate School of Management, einen Masterabschluss mit dem Schwerpunkt „Entrepreneurship & Finance“.

 

Die Software erkennt ein Lachen

 

„Die Produkte von Sensape sind Marketinginstrumente, welche auf künstlicher Intelligenz basieren“, stell Nagel fest. „Unser Produkt „Chimp“ kann beispielsweise als digitaler Promoter auf Messen eingesetzt werden, um für Aufmerksamkeit zu sorgen. Es zieht Besucher an den Stand, die dann vom Standpersonal übernommen und betreut werden können. Die Entwickler von Sensape haben ihre Software erstaunlicherweise nicht mit Merkmalen „gefüttert“, anhand derer sie zwischen Männern und Frauen unterscheidet. „Wir sagen dem System nicht, woran es einen Mann oder eine Frau erkennen kann“, betont Nagel. „Wir haben vielmehr ein selbstlernendes System in Form eines neuronalen Netzes programmiert. Dann haben wir ein Trainingsdatenset mit etwa 10.000 Fotos von Menschen zusammengestellt. Die Bilder wurden in das Programm eingegeben und mit den Attributen „Mann beziehungsweise Frau“ versehen. Je mehr Bilder in das System eingegeben werden, desto besser lernt es, zwischen Männern und Frauen zu unterscheiden“, erläutert Nagel. „Die Trefferquote des Programms liegt mittlerweile bei der Geschlechtserkennung etwa bei 98 oder 99 Prozent.“

 

Der eigens-entwickelte Erkennungsalgorithmus von Sensape ist außerdem in der Lage, das Alter von Menschen zu schätzen und ihre Gefühle zu analysieren. Das System erkennt lachende Gesichter und kann sie von eher ernsten unterscheiden. „Je detailgenauer ein Merkmal ist, desto schwieriger ist es zu erfassen“, erläutert Nagel. „Wenn Emotionen sehr deutlich zum Ausdruck gebracht werden, jemand also beispielsweise schallend lacht, fällt es dem Algorithmus leicht, sie richtig einzuordnen.“ Mit sogenannten „Bubbles“ tritt das Programm spielerisch mit dem menschlichen Gegenüber in Aktion. Sprech- und enkblasen werden auf dem Bildschirm über und neben den Köpfen der Aufgenommenen eingeblendet. Darin werden mögliche Gedanken, Gefühle und Aussagen der Betrachter im virtuellen Spiegel wiedergegeben. So entsteht ein spielerisches, humorvolles Hin und Her zwischen Mensch und Stele. Man betrachtet sein virtuelles Spiegelbild, bewegt sich, liest die sich verändernden Bubbles, kommentiert die Altersschätzung und erprobt die überraschenden Fähigkeiten des Systems. So kommt man auch mit anderen Menschen ins Gespräch, die vor der Stele stehen. Grundsätzlich kann die Software von Sensape auch für andere Bildgeräte wie Beamer oder LED-Wände verwendet werden.

 

 „Schaut Euch das an!“

 

Die Produktlinie „Chimp“ wurde bereits auf einer Touristik-Messe in Leipzig, der METAV und EuroCis sowie der ITB von Kunden wie dem Flughafen München als „digitaler Promoter“ oder als „virtuelle Messe-Hostess“ eingesetzt. Nagel beschreibt  die Vorteile gegenüber einer menschlichen so: „Unternehmen zahlen gutaussehenden jungen Hosts und Hostessen einen hohen Stundenlohn, damit sie Flyer verteilen. Dabei sind die Unternehmen auch immer von der Motivation dieser Mitarbeiter abhängig. Unsere Stele leistet immer zuverlässig ihren Dienst und hat große Menschentrauben auf unseren Stand und die unserer Kunden gezogen. Nach unseren Messungen bleiben bis zu 60 Prozent der Messebesucher stehen. Unser Sensape-Chimp interagiert minütlich mit neuen Kunden.“ Bei den jüngeren „Digital Natives“, aber durchaus auch bei älteren Zielgruppen sei die Resonanz auf Sensape sehr positiv gewesen, betont Nagel. Immer wieder kam es vor, dass eine Gruppe von Messebesuchern zunächst am Stand vorbeizog und dann von einer Person mit einem begeisterten, in der gesamten Halle hörbaren Ausruf wie „Seht euch das an!“ wieder zurückgeholt wurde. Sehr oft nahmen Messebesucher mithilfe ihrer Smartphones auch Selfies von sich und der Stele auf und versendeten sie. Auch ältere Herren hätten ihre Digitalkameras gezückt, um die Innovation von Sensape abzulichten. „Gerade auf Messen wird das System besonders gut angenommen. Wir hatten noch nie ein negatives Feedback“, sagt Nagel.

 

Ängste hinsichtlich Datenschutz und Privatsphäre räumt Nagel aus. Die Videos werden von dem System nicht gespeichert. Selbstverständlich werden auch keine Programme zur Wiedererkennung von Personen installiert. Sensape nutzt die Daten allenfalls zur anonymisierten Analyse beispielsweise des Durchschnittsalters und der Verweildauer von Standbesuchern. „Natürlich ruft das System auch nicht quer durch die Messehalle aus: <Achtung, jetzt kommt ein 47-jahre alter Mann!>“, versichert Nagel.

 

Trendsetter Eventbranche

 

Gerade für die Eventbranche, die Tag für Tag um Aufmerksamkeit kämpft, ist Sensape attraktiv. Bekanntlich liebt sie außerdem spielerische Technik und sucht immer nach dem neuesten Trend. Deswegen hat Sensape die innovative Produktlinie Chimp für Messen und Events auf der Best of Events im Januar 2016 zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert. Seitdem konnten schon viele neue Kunden gewonnen werden.

 

Und welche Erfahrungen haben die Jungunternehmer von Sensape bislang mit ihren Startup gemacht? „Einerseits ist es eine enorme Herausforderung, so ein Unternehmen auf die Beine zu stellen. Andererseits macht es großen Spaß, etwas Eigenes zu kreieren“, sagt Nagel. „Allerdings ist Sensape selbst im Vergleich zu anderen High-Tech-Startups überdurchschnittlich anspruchsvoll.“ Das erleichtere die Suche nach Investoren nicht unbedingt. Trotzdem steht das Start-Up mittlerweile schon mit einigen Investoren in Kontakt. Am Anfang der Suche stehen eine intensive Recherche nach möglichen Investoren aus dem Bereich innovativer Technik sowie der Besuch von verschiedensten Veranstaltungen. Dann kommt es darauf an, aussagekräftige Unterlagen zusammenzustellen und Investoren im persönlichen Gespräch zu überzeugen. „Zuletzt wird das Unternehmen, seine Gründer und seine Produkte noch vom Investor intensiv durchleuchtet“, sagt Nagel. Die Regierung hat Sensape mit seiner Innovation immerhin schon für sich gewonnen. Das Unternehmen erhielt 2015 einen der Hauptpreise des IKT-Gründerwettbewerbs des Bundeswirtschaftsministeriums sowie das Gründerstipendium „Exist“ und ist in das EU-weite Förderprogramm „FINODEX“ aufgenommen worden.

http://sensape.com/de/

 

Dieser Beitrag wurde unter Uncategorized veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Hinterlasse einen Kommentar